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Wenn Hass kein Ablaufdatum kennt

Der Judenhass in der Schweiz spitzt sich seit mehreren Jahren zu. Dies zeigt ein neuer Bericht des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds SIG. Im Jahr 2022 gehörten Beschimpfungen mitunter zu den meisten Anfeindungen. Ein Betroffener erzählt über seine Erfahrungen.

Bereits als Schulkind war Jonathan Kreutner Judenhass ausgesetzt. Der Generalsekretär vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds SIG erzählt: «Das hat mich fürs Leben geprägt. Gerade als Kind ist man sich nicht gewöhnt, wegen seiner Religion ausgegrenzt zu werden.» Hier erinnert sich Kreutner an einen Vorfall in der Ostschweiz zurück, welcher in seinem späteren Leben eintrat. «Ich habe hautnah miterlebt, wie mir jemand gesagt hat, dass man alle jüdischen Menschen umbringen sollte.» Vor allem in der Schule seien Personen damit konfrontiert. Körperliche Angriffe kommen sehr selten vor. Der Antisemitismus wird vor allem in den Sozialen Medien verbreitet.

Judenhass nimmt in der realen und digitalen Welt zu

Im Jahr 2022 nahm der Judenhass in den Sozialen Medien erneut zu, und zwar um rund 6 Prozent auf über 850 Vorfälle. Dies sei aber eine geringfügigere Zunahme als im Jahr 2021. «Über Zwei-Drittel der beobachteten und gemeldeten Vorfälle stammt vom Messengerdienst Telegram», heisst es im Bericht. Facebook und Twitter machen den Rest aus, wobei Letzteres deutlich mehr Hassrede beinhaltet.

In den letzten zwei Jahren nahm der Judenhass auf Social Media stetig zu. (Statistik: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund SIG)

Auch in der echten Welt kennt der Judenhass keine Grenzen. Mit einer leichten Zunahme von 4% erlebten jüdische Personen im Jahr 2022 verschiedene Formen von Anfeindungen. Beschimpfungen gehören dabei zu den häufigsten. Zu Tätlichkeiten kam es mit einem gemeldeten Vorfall selten. Der Trend seit 2018 setzt sich also weiterhin fort.

Besonders bei Beschimpfungen und Aussagen muss mit einer Dunkelziffer gerechnet werden, da viele Vorfälle weder dem SIG noch der Polizei gemeldet werden. (Statistik: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund SIG)

Einen offenen Dialog anstreben

Der Austausch mit anderen Menschen kann nicht nur helfen, als betroffene Person mit Judenhass umzugehen. «Wenn man mit anderen redet, kann dies auch Aussenstehende sensibilisieren», sagt Kreutner. Es sei daher extrem wichtig, den Kontakt mit anderen zu suchen. Wer Hilfe braucht, der ist unter anderem bei städtischen und kantonalen Fachstellen gut aufgehoben.

Im Beitrag spricht Jonathan Kreutner über seine persönlichen Erfahrungen mit Antisemitismus.

Basma Yehia, 17.03.2023