Der Ansturm auf Pietro Capellis Panettoni ist gross. Täglich bildet sich eine lange Schlange vor seinem Fabrikladen. Leute warten teilweise stundenlang in der Kälte, um rechtzeitig vor Weihnachten einen von Capellis Panettone zu ergattern.
Schon von weitem ist sie zu sehen, die lange Schlange vor dem Fabrikladen «La Fabbrica del Panettone» an der Linsebühlstrasse. Alle sind warm verpackt, haben die Hände in den Taschen und treten von einem Fuss auf den anderen. Es ist ein eisig kalter Morgen. Die Atmosphäre in der wartenden Schlange ist angenehm. Leute plaudern zusammen, warten geduldig und halten respektvoll Abstand. Es liegt eine fast magische Erwartung in der Luft. Aber lohnt sich das Warten in der Kälte wirklich? «Absolut», meint eine wartende Frau. «Es ist einfach ein deutlicher Unterschied zu spüren zu anderen Panettoni, die ich kenne.»
In der Ruhe liegt der Genuss
Dreissig oder sechzig Minuten anstehen? Das nehmen die Kund:innen gerne in Kauf. «Ich würde sogar noch länger anstehen!» gesteht ein Kunde. Ein anderer meint ruhig: «Ich habe sowieso Ferien, daher habe ich überhaupt keinen Stress.» Er ist Stammkunde und kommt jedes Jahr vorbei. «Ich komme selber aus Italien und muss sagen, Capelli ist „number one“!»
Das lange Warten lohnt sich. Im Vorraum vom Fabrikladen strömt einem eine warme süsse Luft entgegen. Hinter der Absperrung eilen eingespielte Mitarbeiter hin und her, füllen korbweise Panettoni ab und stapeln die Kisten übereinander. Jeder Handgriff sitzt.
Eine Familienangelegenheit
«Die ganze Familie hilft mit. Auch viele Kollegen haben ihre Hilfe angeboten», erzählt Bäckermeister Pietro Cappelli. Er steht in einem etwas ruhigeren Hinterzimmer der Bäckerei. Rundherum stapeln sich hunderte von kleinen und grossen Panettoni. Einige mit Zitronengeschmack, andere mit Pistazien. Der süsse Duft ist ein ständiger Begleiter. Die Wände sind mit farbig gemusterten Kacheln bedeckt und erinnern an Ferien im Süden.
Die Panettone Produktion läuft über das ganze Jahr hinweg. Für Weihnachten wird die Produktion aber ungefähr verzehnfacht. «Wenn nicht sogar mehr. Gestern haben wir rund eine Tonne verkauft! Ein Rekord, aber das ist fast zu viel für die Kapazität, die wir bewältigen können.»
«Ich lebe meinen Traum»
Trotz viel Arbeit und wenig Schlaf wirkt Pietro Cappelli sehr aufgestellt und fröhlich. «Ich lebe meinen Traum.» Seine süssen Kreationen sind in den letzten Jahren mehrfach ausgezeichnet worden. Den Erfolg bei seiner Kundschaft erklärt er sich folgendermassen: «Es ist nicht nur der Panettone. Es ist der ganze Kult darum herum. Wir verkaufen die Panettoni in einer Kultwerkstatt. Die Leute wollen das miterleben. Sie riechen, sie sehen, sie sind ein Teil davon. Es ist ein kleines Erlebnis. Und darum frieren sie draussen manchmal auch stundenlang, um dies miterleben zu können.»
Die kalten Füsse haben sich gelohnt
Im Verkaufsraum herrscht trotz langer Schlange draussen kein Gedränge. «Nur vier Leute auf einmal, bitte warten sie noch einen Moment», sagt eine Mitarbeiterin. Im schummrigen Verkaufsraum angekommen, muss man sich zuerst einen Überblick über die grosse Auswahl machen. Die Regale werden laufend mit frischer Ware aufgefüllt. Auf dem Verkaufstisch stapeln sich Türme aus verschiedenen Geschmäckern. «Warten Sie, ich hole noch einen zusätzlichen», sagt eine Kundin. Mit vollbepackten Taschen verlassen die Kunden den Laden im Minutentakt. Trotz Maske haben alle ein zufriedenes Lächeln im Gesicht.