Bildquelle: Schweizerische Südostbahn
Die Südostbahn testet in einer Pilotphase flexible Zugabteile. Mit einigen Handgriffen können diese zu Abstellflächen für Velos oder Gepäck umgebaut werden. So soll das steigende Aufkommen von Velos und Gepäck aufgefangen werden.
Das Projekt sei schweizweit einzigartig, sagt Urs Brütsch, Geschäftsleiter der Südostbahn: «Ich würde sogar von einer Weltneuheit sprechen, denn uns ist bisher nichts vergleichbares bekannt.» Urs Brütsch meint damit die flexiblen Abteile, die in einer Pilotphase getestet werden. Während die Südostbahn (SOB) unter der Woche ein hohes Pendleraufkommen bewältigen muss, kommen an den Wochenenden viele Passagiere mit dem Velo oder mit grossen Gepäckstücken. Diese sehr unterschiedlichen Bedürfnisse sind für viele Bahnunternehmen eine Herausforderung. Deshalb startete die SOB ein neues Projekt mit dem Ziel, den vorhandenen Raum in den Zügen flexibel zu nutzen. Je nach Bedarf sollen Sitze aus- oder eingeklappt werden. Mit eingeklappten Sitzen entsteht in zwei Viererabteilen Platz für sechs zusätzliche Velos.
Sitzbänke für Jugendliche und SeniorInnen
Das Projekt begann vor eineinhalb Jahren. Im Austausch mit anderen Bahnunternehmen wurden verschiedene Möglichkeiten besprochen und mehrere Prototypen entwickelt. Entstanden sind schliesslich zwei Module, die in einem Wagen der SOB installiert wurden. Genutzt werden dafür bereits bestehende Befestigungspunkte der bisherigen Sitze. «So kann die Entwicklung effizienter und kostengünstiger erfolgen als bei kompletten Fahrzeugumbauten», sagt Christian Keller, Industriedesigner der Firma Erfindergeist, die das Projekt umgesetzt hat. Unterstützt wird das Projekt, welches ca. 1,4 Millionen Franken kostete, auch vom Bundesamt für Verkehr. Neben dem Viererabteil mit einklappbaren Sitzen entstand auch ein Abteil mit einer Sitzbank. Dafür wurden Jugendliche miteinbezogen, die sich zusätzliche Ablageflächen für Schultaschen wünschten. Die Sitzbank bietet auch für Rollatoren oder E-Scooter Platz und hilft mit einer Stange Menschen mit eingeschränkter Mobilität zum Aufstehen.
Komfort steht im Vordergrund
Das komfortable und angenehme Reisen stand beim Projekt im Vordergrund, wie die Projektleiterin Sandra Dietsche betont. Genügend Schulterfreiheit und eine Kopfstütze bieten im Vergleich zu den Klappsitzen deutlich mehr Komfort. Wie die flexiblen Abteile bei den Reisenden ankommen wird sich zeigen. Die SOB will während der Pilotphase auch Rückmeldungen der Reisenden einholen. Über QR-Codes oder über ein Formular auf der Webseite können sie ihre Meinung zu den flexiblen Abteilen abgeben. Auch das Personal soll Rückmeldungen geben, damit die Abteile entsprechend weiterentwickelt werden können. Ab nächster Woche beginnt die Testphase, die bis Ende 2024 dauert. Der umgerüstete Zug wird vor allem im Regionalverkehr eingesetzt.
Bessere Datengrundlage
Momentan werden bei der SOB nur die Passagiere gezählt. Die SOB will aber künftig das Aufkommen von Velos und sperrigen Gegenständen besser analysieren. Dabei greift sie auf die bereits installierten Kameras in den Zügen zu und wertet diese Bilder digital aus. Verknüpft werden die Daten mit anderen Quellen, wie der aktuellen Wetterlage oder Ferien und Veranstaltungen. Durch künstliche Intelligenz sollen so Voraussagen über ein erhöhtes Aufkommen von Velos oder Gepäck gemacht werden können. Die flexiblen Abteile könnten dadurch frühzeitig entsprechend umgebaut werden.
Leonie Herde, 18.12.2023