In einer Sondersession nahm der Nationalrat gestern Mittwoch eine Motion an, die fordert, dass bald ein zweiter Nationalfeiertag existieren soll. Das ausgewählte Datum ist der 12. September. Der Tag, an dem 1848 die Bundesverfassung in Kraft trat. Motionär Heinz Siegenthaler (Die Mitte/Bern) will dadurch verhindern, dass der wichtigste Tag in der Schweizer Historie nicht in Vergessenheit gerät.
Die Schweiz ist ein aussergewöhnliches Land, bei dem die Kantone eine starke Tradition haben. Bis zum Jahr 1848 waren sie noch eigene politische Einheiten, mit einer eigenen Regierung. Schon damals konnten die Bürger in den Kantonen basisdemokratisch abstimmen und wählen. Die Schweizer Eidgenossenschaft existierte damals als lockeren Staatenbund. Erst durch die am 12. September 1848 von der Tagsatzung angenommene Bundesverfassung, wurde die Schweiz vom Staatenbund zu dem Bundesstaat, den wir heute kennen. Die Bundesverfassung steht auf der höchsten Stufe des Schweizer Rechtssystems. Alle kantonalen und kommunalen Gesetzte unterliegen ihr. Sozusagen regelt sie unser Leben.
Schon 2018 gab es einen Vorstoss
Nationalrat Heinz Siegenthaler beauftragte bereits 2018 den Bundesrat zu prüfen, ob und wie man den 12. September zu einem Nationalfeiertag machen kann. Grund dafür war, gemäss der Parlamentsmitteilung, dass die Bundesverfassung dem Bundesstaat Schweiz in den 170 Jahren den nötigen Halt gegeben hat, um die teils turbulenten Zeiten auf dem europäischen Kontinent schadlos zu überstehen. Der Vorstoss wurde damals abgelehnt. In diesem Jahr nahm Nationalrat Heinz Siegenthaler einen zweiten Anlauf. Mit seiner Motion scheint er erfolgreicher zu sein als zwei Jahre zuvor.
Nationalrat sagt Ja
«Die Inkraftsetzung der ersten Bundesversammlung ist ein einmaliges und in der Geschichte unseres Bundesstaat historisches Ereignis. Im internationalen Kontext gesehen, handelt es sich auch um ein aussergewöhnliches Ereignis, […] inmitten von Monarchien und Anarchien.», trug Heinz Siegenthaler in seiner Rede im Nationalrat vor. Nun sollte man dieses Ereignis laut Siegenthaler jährlich feiern. Auch darum, dass dieses Datum nicht in Vergessenheit gerät. Der Berner Mitte Politiker konnte die Mehrheit des Nationalrates überzeugen. Die grosse Kammer nahm den Vorstoss mit 94:82 Stimmen, bei sechs Enthaltungen, an. Die Begeisterung beim Bundesrat hielt sich jedoch in Grenzen. Dieser lehnte die Motion ab. Zwar sei ihnen die «überragende Bedeutung» der Bundesverfassung bewusst, jedoch verursacht ein weiterer Nationalfeiertag immense volkswirtschaftliche Kosten.
Motion geht nun in den Ständerat
Der Weg des Vorstosses von Heinz Siegenthaler führt als nächstes in die kleine Kammer. Falls diese die Motion ebenfalls annehmen wird, muss der Bundesrat einen Gesetzesentwurf für den neuen Nationalfeiertag ausarbeiten. Theoretisch könnte dann noch ein Referendum ergriffen werden, welches in einer Volksabstimmung endet. Die Motion ist also auf einem erfolgreicheren Weg als 2018, jedoch noch lange nicht verwirklicht.
Tobias Caflisch, 05.05.2023