Seit genau einem Jahr gilt «Freiheit». Der Bundesrat hat auf den 17. Februar vor einem Jahr fast alle Corona-Massnahmen aufgehoben. Frei fühlen sich aber noch lange nicht alle Personen. Verantwortlich dafür ist Long-Covid. So lautet der Name der Krankheit, die Patient:innen noch lange Zeit nach der Corona-Infektion enorm einschränkt. Betroffene leiden im privaten sowie im beruflichen Alltag.
Bei manchen ist sie vergessen, andere leiden noch immer stark. Die Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen. Auch in der Schweiz leiden viele Personen seit ihrer Coronavirus-Infektion an Langzeitfolgen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet die Krankheit als «Post-Covid-19 Erkrankung.» Die anhaltenden Folgen nach der Coronavirus-Infektion wird jedoch auch häufig als «Long-Covid» bezeichnet. Die häufigsten Symptome der Erkrankung sind laut dem Bundesamt für Gesundheit folgende: Starke Müdigkeit, Erschöpfung und Belastungsintoleranz, Kurzatmigkeit und Atembeschwerden, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme. Allerdings gibt es auch viele weitere Symptome. Die meisten beeinträchtigen die Funktionsfähigkeit im Alltag. Sie können unterschiedlich stark sein und sich über die Zeit verändern oder wieder zurückkehren.
«An Motivation fehlt es uns Long-Covid Betroffenen nicht. Wir würden gerne mehr leisten, es ist leider einfach nicht mehr möglich.»
Ariana Frischknecht, 29 Jahre leidet an Long-Covid
Verheerende Auswirkungen begleiten Betroffene
Die junge Betroffene, Ariana Frischknecht aus Gossau, hat sich Ende 2020 mit dem Coronavirus infiziert. Wie sie gegenüber toxic.fm erzählt, erlebte sie einen sehr milden Verlauf ihrer Infektion. Kurze Zeit danach bemerkte sie jedoch, dass etwas nicht stimmt: «Ich war enorm schnell erschöpft und bekam schnell Kopfschmerzen. Ebenfalls hatte ich Mühe mich zu konzentrieren oder mehrere Sachen gleichzeitig zu machen, wie z.B. Autofahren.» Heute leidet sie an Erschöpfung, Belastungsintoleranz, Kopfschmerzen, Schwindel und Konzentrationsprobleme.
Seit der Infektion hat sich im Leben der 29-jährigen sehr viel verändert. Dies führte dazu, dass sie ihre berufliche Tätigkeit als Polizistin aufgeben musste. Momentan befindet sich die Gossauerin in einer Wiedereingliederung für einen anderen Beruf. Zurzeit arbeitet sie vier Halbtage in der Woche und ist froh, dass sie wieder arbeiten kann. Trotzdem meint sie: Alles drehe sich ums Pause machen.
«Wenn ich nach einem halben Tag arbeiten nach Hause komme, brauche ich zuerst Ruhe und Erholung. Sonst geht nichts mehr.»
Der berufliche Alltag fällt der jungen Frau schwer.
Den Betroffenen sieht man oft nicht an, dass sie krank sind meint die ehemalige Polizistin weiter. «Viele reissen sich zusammen, bis sie Zuhause sind. Dort wo sie niemand sieht.»
Betroffene Ostschweizer:innen unterstützen sich gegenseitig
Es gibt keine Therapien und Medikamente zur Bekämpfung von der bislang wenig erforschten Krankheit. Zurzeit können sich Personen, die an der Post-Covid-19 Erkrankung leiden nur gegenseitig beistehen. Eine ebenfalls Betroffene, Monika Schmid aus Goldach, hat deshalb eine Selbsthilfegruppe in der Ostschweiz ins Leben gerufen. Mit dem Austausch bekommen sie von anderen Patient:innen absolutes Verständnis für ihre Symptome. Die Gruppe trifft sich zweimal im Monat, um sich auszutauschen. Das Alter der Personen, die diese Selbsthilfegruppe besuchen, liegt durchschnittlich zwischen 25 und 45 Jahren.
Weiter erzählt die Gründerin der Selbsthilfegruppe, dass die Betroffenen selbst nach Lösungen und möglichen Therapien suchen müssen, weil es immer noch kaum Studien und Erfahrungen gibt. Die am Bodensee wohnhafte Monika Schmid leidet, wie viele weitere, seit über zwei Jahren an schweren Folgen nach ihrer Infektion. Ihre Lebensqualität wird durch ihr Leiden stark eingeschränkt.
«Ich bin von der Überhohlspur auf dem Pannenstreifen gelandet. Das Leben rauscht an mir vorbei. Vergleichbar wie Dornröschen im hundert jährigen Schlaf.»
Monika Schmid 58, Gründerin der Selbsthilfegruppe
Ihre Symptome sind vor allem Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Kurzatmigkeit bei kleinster Anstrengung trotz intakter Lunge und Erschöpfungszustände. Auch leidet sie an Reizüberflutung: Ein Zustand, wo der Körper viele Reize aufnimmt, die nicht mehr verarbeitet werden können. Das schränkt Betroffene in alltäglichen Situationen ein, die vorher ganz gewöhnlich waren. «Ich kann absolut kein Radio oder Musik mehr hören. Einkaufen ist ebenfalls nicht mehr möglich. » In der Hoffnung die Symptome zu lindern war sie schon bei verschiedenen Untersuchungen. Leider ohne Erfolg.
«Da die Kassen wegen nicht Anerkennung kaum etwas übernehmen haben viele Betroffene schon tausende Franken gezahlt.
Monika Schmid hat ebenfalls schon viel Geld für Behandlungen aus der eigenen Tasche heraus bezahlt.
Ärzte können Post-Covid-19 Erkrankten wenig bieten
Personen, die an Langzeitfolgen leiden, suchen sich häufig Hilfe bei Ärzten. Die Erwartungen der Patient:innen, dass ihnen ein Arzt helfen kann, sind hoch. Die Fachpersonen hingegen können nur wenig bieten, so Dominique Braun, Oberarzt am Universitätsspital Zürich.
«Es ist schwierig für beide Seiten»
Dominique Braun, Oberarzt für Infektionskrankheiten im Universitätsspital Zürich
Weiter erzählt Braun gegenüber toxic.fm, die Ärzte können wie bei anderen Krankheiten nicht messen, ob jemand an den Langzeitfolgen von Corona leidet. Auch medikamentöse Therapien gäbe es keine. Betroffene werden in ihrer Sprechstunde zwar betreut. Bis auf eine Diagnose die Long-Covid bestätigt und Therapien, bei denen sie lernen ihre Energie richtig einzuteilen, sind die Betroffenen Personen jedoch auf sich allein gestellt. Welche Faktoren genau für die Symptome der Langzeitfolgen verantwortlich sind, wird weiter erforscht.
Désirée Blattmann, 17.02.2023