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Schweiz: Das Land der Erfinder

Aus der Schweiz kommen überproportional viele Patentanmeldungen. Auch die Region St. Gallen kann sich als Heimat nennenswerter Erfindungen rühmen. Aber was ist eine Erfindung und wann bekommt man ein Patent?

Laut dem Europäischen Patentamt (EPA) kommen aus keinem Land so viele Patentanmeldungen pro Kopf wie aus der Schweiz. Im vergangenen Jahr gingen 8442 Anträge aus verschiedenen Branchen ein, angeführt von der Medizinaltechnik. Der grösste Anteil kommt aus dem Kanton Waadt, gefolgt von Zürich und Basel. Die Kantone landen damit im Ranking der innovativsten Regionen Europas auf den Plätzen 16, 18 und 19. Mitverantwortlich sind innovative Firmen wie Roche, Novartis und ABB aber auch Hochschulen wie die ETH und die EPFL, die in den jeweiligen Kantonen sitzen.

Innovative Textilbranche

Ein Blick zurück zeigt, dass auch die Textilindustrie in St.Gallen erfolgreiche Erfindungen hervorgebracht hat. Nachdem Mitte des 19. Jahrhunderts die Nähmaschine erfunden wurde, hat der Oberuzwiler Isaac Gröbli an einer entsprechenden Anwendung für die Stickerei getüftelt. Er wollte die Arbeit effizienter machen und hat in den 1860ern die Schifflistickmaschine erfunden. Sie funktioniert wie eine Nähmaschine mit einem Ober- und einem Unterfaden, nur stickt sie statt zu nähen. Die Maschine wurde international verkauft, von Glasgow bis nach New York. Im Rückblick gilt seine Erfindung als der Grundstein der vollständigen Mechanisierung der Stickerei.

St.Galler Reissverschluss

In der gleichen Zeit kamen die Vorläufer des Reissverschlusses in den USA auf, die aber anfangs keine Verwendung fanden. 1912 patentierte der Schwede Gideon Sundbäck seinen verbesserten Reissverschluss, der aber weiterhin am Markt nicht gefragt war. 1923 verkaufte er sein Patent an den St.Galler Juristen Martin Winterhalter. Dieser entwickelte das Patent weiter, sodass Reissverschlüsse erstmals serienmässig produziert werden konnten. Er baute selbst die Maschinen für die Herstellung und wurde damit erfolgreich.

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Quelle: CC BY-SA 4.0

Diagnostische Tintenkleckse

Kurz nach dem zweiten Weltkrieg wurde auch der Rorschachtest erfunden. Nein, nicht in Rorschach, sondern von. Hermann Rorschach war Psychiater an der psychiatrischen Anstalt in Herisau, als er den Test entwickelte. Heute ist er um den Globus bekannt. Die Verbreitung seiner Erfindung hat der Arzt nicht mehr erlebt, er starb schon im Jahr nach der Erfindung. Aber aufgepasst – war das überhaupt eine Erfindung?

Quelle: Pixabay/padrinan

Was qualifiziert eine Erfindung?

Das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum, kurz IGE, ist für die Vergabe von Patenten zuständig, die ein Schutzrecht für Erfindungen sind. Auf seiner Webseite erklärt es, dass eine Erfindung ein Produkt oder ein Verfahren sein kann, das durch Mittel der Technik ein Problem löst. Nicht patentierbar sind Entdeckungen aus der Natur wie Regeln und Theorien. Diese Phänomene existieren bereits, sie sind nicht neu. Auch ausgeschlossen sind medizinische Verfahren, seien sie diagnostisch, therapeutisch oder chirurgisch. Der Rorschachtest ist also keine Erfindung.

Voraussetzung für ein Patent

Ein Patent gibt es aber nicht, nur weil es eine Erfindung ist. Es müssen laut Schweizer Gesetz drei zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein.

Erstens muss die Erfindung neu sein, das heisst, die Öffentlichkeit kennt sie noch nicht. Wer also eine Erfindung auf Instagram teilt und zwei Monate später ein Patent beantragt, hat schlechte Chancen.

Zweitens muss die Erfindung «erfinderisch» sein. Gemeint ist damit, dass sie für eine Fachperson nicht offensichtlich sein darf. Eine logische Lösung für ein technisches Problem ist demnach keine Erfindung.

Drittens muss die Erfindung gewerblich nutzbar sein. Eine Erfindung, die am Markt nicht gefragt ist, bekommt kein Patent. Ein Patent kann auch entzogen werden, wenn die Erfindung über lange Zeit nicht vertrieben wird.

Andere Innovationen

Die Stickmaschine und der Reissverschluss sind neuartige technische Lösungen, die am Markt verkauft wurden. Sie waren deshalb patentiert. Wenn aber jemand etwas «erfindet», das nicht technisch ist, gibt es andere Schutzmöglichkeiten. Kreative Werke wie Musik und Literatur fallen beispielsweise unter das Urheberrecht. Herr Rorschach hätte seine Tintenkleckse also als Bild schützen können, damit sie niemand ohne seine Einwilligung verbreitet.

Kim Bauer, 05.04.2022