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Sankt Bänkli - billig und putzbar, oder lebenswert?

Quelle: Sandro Büchler via Tagblatt

Am Montag stellte sich Stadtpräsidentin Maria Pappa den Fragen der Bevölkerung zur Stadtentwicklung und nahm sich der Anliegen der Bürger:innen an. Die heissen Themen in der Diskussion waren Kultur und unbequeme Bänkli.

Die Stadt hat ihre Vision des zukünftigen St.Gallens Ende 2021 bekanntgegeben und die Bevölkerung zur Mitwirkung aufgerufen. Innert drei Monaten kamen 80 Rückmeldungen zusammen, die von der Forderung nach Hundepärkli über die Einführung einer Lokalwährung bis zur Stärkung des IT-Standorts reichen. Die Stadt hat diese Anliegen zusammengefasst und den Anwesenden am Montagabend, dem 28.3. zur Auswahl vorgelegt. Das Publikum entschied sich mit klaren Mehrheiten für die Diskussion kulturpolitischer Themen.

Raum für Kultur

Die Diskussion startet mit einer Wortmeldung aus dem Publikum: «Wir brauchen langfristige Lösungen in der Stadt, nicht bloss eine Zwischennutzung wie im St.Galler Haus.» Der Stadtpräsidentin ist das Problem bekannt. Es brauche günstige Ladenflächen und Raum für Kultur in der Innenstadt, aber ihr seien die Hände gebunden. Im Vergleich zu anderen Städten besitze die Stadt St. Gallen wenig Immobilien (ca. 1-2%) und könne deshalb selbst keine günstigen Lokale anbieten. Die Stadt wisse aber, welche städtischen und privaten Liegenschaften zur Verfügung stehen und könne in Zukunft verstärkt als Vermittler bei Projekten agieren, bietet die Politikerin an. Der Vorschlag findet bei den Anwesenden Anklang und geht zur Ausarbeitung an den Stadtrat.

Für und Wider der Sitzmöglichkeiten

Im öffentlichen Raum, bemerkt ein Teilnehmer, gebe es zu wenig Sitzgelegenheiten ohne Konsumzwang. Er wünsche sich mehr Bänkli in der Stadt, die zum Verweilen einladen. Die Stadt habe gerade neue Bänkli eingekauft und in der Stadt aufgestellt, erwidert die Standpräsidentin. Darauf will eine ältere Dame aufgeregt wissen, «warum sind denn die Bänkli so unbequem?» Der Raum bricht in spontanen Applaus aus. Maria Pappa lächelt wissend und holt zu einer Erklärung aus.

Wissenschaft um den Bänkli-Kauf

Es sei ein komplizierter Auswahlprozess mit 15 Kriterien. Die Bänkli müssen unter anderem einfach zu reinigen sein, günstig, wenig Aufwand in der Instandhaltung verursachen und Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Die Wahl habe sicher Nachteile, gibt die Stadtpräsidentin zu, aber «sie werden genutzt.» Nach kurzem Nachdenken schiebt sie nach, «weil es keine Alternative gibt». Der Raum lacht. Eine junge Frau hinten im Saal wendet ein, man müsse die Werte hinterfragen. «Will St.Gallen eine billige und putzbare Stadt sein, oder eine lebenswerte?» Wieder zustimmender Applaus. Die Politikerin beschwichtigt, es würden je nach Standort unterschiedliche Bänkli genutzt. Vorerst seien die Bänkli jetzt aber gekauft und würden nicht ausgetauscht.

Kultur redet mit

«Wir möchten mehr ins Gespräch kommen», sagt Maria Pappa nach der Diskussionsrunde. Fürs erste Mal sei sie mit dem Rücklauf zufrieden und es werde zukünftig mehr Partizipationsmöglichkeiten geben. Das Publikum war allerdings kein Spiegel der Bevölkerung. Zu den Gästen des Abends zählten Künstlerin Andrea Vogel, Astrid Kuhn (La Verità) und Mandana Roozpeikar (Direktorin Textilmuseum) – die Kultur war übervertreten und hat sich zu Wort gemeldet.

Nehmen, wie es kommt

«Es fehlt immer ein Teil der Bevölkerung», meint Maria Pappa dazu. Man müsse mit denen arbeiten, die auftauchen und interessiert sind. Und doch fällt auf, dass es eine einseitige Diskussion zugunsten einer Bevölkerungsgruppe war. «Wir haben die Themen für den Abend bewusst offengelassen», erwidert die Stadtpräsidentin. Das Publikum habe seine Interessen einbringen können. Bei einer Befragung auf der Strasse wären bestimmt andere Anliegen im Zentrum gestanden. «Ich fand interessant, welche Themen aufgekommen sind. Das weiss man ja im Voraus nicht.» Mit einer Bänkli-Diskussion hatte sie bestimmt nicht gerechnet.

Kim Bauer, 30.03.2022