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Wie ein Dompfarrer mit einer alten Tradition bricht

Punkt zwölf Uhr schlägt der Klöppel der über 350 Jahre alten Glocke im St.Galler Dom wie ein Pendel für drei bis vier Minuten an den Glockenrand. Seit ein paar Tagen erklingen die Kirchturmglocken in der Stadt neu um zwölf anstatt wie bis anhin um elf Uhr. Dompfarrer Beat Grögli erklärt, wie es zu dieser Verschiebung kam und was die Viruskrankheit Corona damit zu tun hat.

«Es war mir ein persönliches Anliegen, das Elf-Uhr-Geläute auf den Mittag zu verschieben», erzählt der Dompfarrer Beat Grögli. «Die Idee hat mit unserer heutigen Lebenskultur zu tun, denn die Mittagspause ist bei uns nicht mehr um elf Uhr, sondern um zwölf Uhr», erklärt der Dompfarrer. Das sogenannte Betzeitgeläut zeigt dem Menschen an, wann er den Tag kurz unterbrechen, innehalten und den Blick gegen den Himmel richten soll. «Daher muss dieses Geläute dann stattfinden, wenn die Menschen eine Pause machen», fügt Pfarrer Grögli an. Früher, als die Bevölkerung in St.Gallen noch mit der Sonne aufgestanden sei, hätte eine Unterbrechung des Tagwerks um elf Uhr Sinn gemacht, meint der Dompfarrer. Doch dies sei einfach nicht mehr zeitgemäss.

Bildquelle: Zairon/www.commons.wikimedia.org/Kathedrale St. Gallen, CC-BY-3.0

Der erste Versuch scheiterte kläglich

Bereits vor ein paar Jahren versuchte Beat Grögli mit dem Vorschlag, das Glockengeläut von elf auf zwölf Uhr zu verschieben und somit mit einer seit dem Mittelalter bestehende Tradition zu brechen. «Damals habe ich es aber nicht geschafft, mit meinem Vorschlag bei meinen katholischen Kollegen und Kolleginnen auf Gegenliebe zu stossen. Dieses Jahr habe er es nochmals versucht. Überzeugt meint er, dass die Viruserkrankung Corona den positiven Entscheid mit beeinflusst habe. «Wir müssen ja auch in der Kirche alles ein bisschen anders machen als normal. So können auch die Glocken zu einer anderen Zeit läuten als wie bisher», erklärt der Pfarrer mit Schalk im Nacken sein geschicktes Timing.

Bildquelle: Dietmar Rabich/www.commons.wikimedia.org/”Dülmen, St. Viktor Kirche, Turm Glocke 2020, CC BY-SA 4.0

Der Gottesmann vertraut auf die Technik

«Ich habe momentan keinen Überblick, ob wirklich alle die Umstellung auf den Osterdienstag geschafft haben», gesteht Dompfarrer Grögli ein. Denn dies sei eigentlich das Ziel gewesen. Trotzdem wird er keinen Kontrollgang durch die Stadt zu den verschiedenen Kirchtürmen unternehmen. Er vertraut den Kirchgemeinden und den zugehörigen Mesmern sowie der Technik. Damit nämlich alle Kirchturmglocken neu um zwölf Uhr gemeinsam läuten in der Stadt St.Gallen, muss das elektronisch gesteuerte Geläut umprogrammiert werden. Beat Grögli ist aber optimistisch, denn er habe nichts von Problemen gehört bei der Umstellung. Zudem sei der Prozess für ihn und seine Mitarbeiter bedeutend aufwendiger und schwieriger gewesen, als dessen Umsetzung.

Nicola Knüsel, 20.04.2021